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Die Rechtslage bei Telefonakquise – ein Interview mit Rechtsanwältin Jutta Löwe


Rechtslage bei der Telefonakquise: „Ist das überhaupt erlaubt?“

Telefonakquise ist die schnellste, effizienteste und flexibelste Methode der Kaltakquise. Ist die Telefonakquise erfolgreich, führt sie zu neuen KundInnen und mehr Umsatz. Denn per Telefon sprechen Werbende ihre Zielgruppen ohne große Streuverluste an und profitieren von einer hohen Erfolgsquote.

Telefonmarketing ist im Business-to-Business-Bereich (B2B) unproblematischer als die beliebten Newsletter und Werbemails. Deshalb rufen viele Unternehmen ihre gewerblichen BestandskundInnen am liebsten direkt an, um ihnen ein neues Produkt oder eine neue Dienstleistung anzubieten, die wie ein bereits zuvor erworbenes Produkt interessant für sie sein könnten. Andere Unternehmen akquirieren potenzielle NeukundInnen, privat wie gewerblich, mittels Kaltakquise (auch Cold Calls genannt) per Telefon – also, ohne jemals zuvor Kontakt zu diesen Personen gehabt zu haben, geschweige denn bereits eine vertrauensvolle Geschäftsbeziehung mit ihnen zu führen. Doch nicht jedes dieser Telefonate ist rechtssicher, entspricht also der gültigen Rechtslage bei der Telefonakquise.

Klarheit in die Diskussion bringt ein Interview zum Thema Rechtslage bei der Telefonakquise mit der Rechtsanwältin und Datenschutzexpertin Jutta Löwe. Sie zeigt, welche Formen der Telefonakquise erlaubt und welche verboten sind und was Unternehmen erwartet, wenn sie die Rechtslage bei der Telefonakquise und Kaltakquise missachten.

Wann ist Telefonakquise erlaubt und welche Form der Telefonakquise ist verboten?

Die Unsicherheit bei der Beantwortung dieser Frage ist bei manchen so groß, dass sie gar nicht mehr zum sprichwörtlichen Hörer greifen, andere telefonieren munter weiter nach dem Motto „Was soll schon schief gehen?“ Die Antwort: Im schlimmsten Fall kann Sie ein falscher Anruf eine Menge Geld kosten. Wir klären über die aktuelle Rechtslage und die Voraussetzungen für rechtssichere Telefonakquise auf.

Die Rechtslage in der Telefonakquise wird in Deutschland durch zahlreiche Gesetze geregelt: im Rahmen von wettbewerbsrechtlichen Vorschriften durch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), das den Datenschutz in Deutschland regelt, sowie den Schutz personenbezogener Daten von Verbrauchern laut Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ist in § 13 vermerkt, dass Werbeanrufe im B2C-Bereich unzulässig sind, wenn die Kontaktierten nicht eindeutig eingewilligt haben. Und das Telekommunikationsgesetz (TKG) gibt vor, dass Absender und ein werbender Charakter offengelegt sein müssen. Die verschiedenen Regelungen schützen VerbraucherInnen und MitbewerberInnen vor unlauteren geschäftlichen Handlungen.

Auch ohne diese Gesetze im Einzelnen zu kennen, können Sie sich merken: Mit Einwilligung der angerufenen Personen ist in der Telefonakquise fast alles möglich, ohne so gut wie nichts.

Das bedeutet also, Sie dürfen bei der Telefonakquise nur Personen anrufen, die dieser Kontaktaufnahme zugestimmt haben, und zwar vorab. Deshalb sprechen wir in der Telefonakquise von der notwendigen Einwilligung. Es gibt nämlich einen kleinen, aber feinen Unterschied zwischen Einwilligung und Genehmigung:

  • Wenn Sie in etwas einwilligen, machen Sie das vorab, ehe eine Handlung, z. B. ein Telefonat, geschieht.
  • Wenn Sie etwas genehmigen, dann erklären Sie sich nachträglich damit einverstanden, also nachdem es passiert ist.

Sowohl Einwilligung als auch Genehmigung gelten als Zustimmung, allerdings ist nur die Einwilligung im Einklang mit der Rechtslage bei der Telefonakquise.

In unserem Interview mit Rechtsanwältin Jutta Löwe zum Thema Rechtslage bei der Telefonakquise zeigt die Datenschutzexpertin verständlich auf, welche Formen der Telefonakquise erlaubt und welche verboten sind. Sie weiß auch, was Unternehmen erwartet, wenn diese die aktuelle Rechtslage bei der Telefonakquise missachten. Außerdem hat sie einen wertvollen Tipp, der sogar bei einer Abmahnung helfen kann.

Frau Löwe, ich bin Gewerbetreibender und möchte durch Telefonakquise neue Kunden gewinnen. Ist das erlaubt?

Jutta Löwe: Das hängt davon ab, ob Ihre KundInnen ebenfalls Gewerbetreibende oder Privatpersonen sind. Bei Verbrauchern benötigen Sie nach geltender Rechtslage die ausdrückliche schriftliche Einwilligung, dass diese mit der telefonischen Kontaktaufnahme einverstanden ist. Diese Einwilligung darf auch nicht in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Ähnlichem versteckt sein – sonst ist diese unwirksam und die Telefonakquise im Business-to-Consumer-Bereich generell verboten. Geregelt ist das in Paragraf 7 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).

Hiernach erfordert SMS-, E-Mail-, Fax- und Telefonwerbung eine ausdrückliche Einwilligung. Seit dem 1.10.2021 müssen Sie diese Einwilligung des Verbrauchers nach dem Wettbewerbsrecht „in angemessener Form" dokumentieren und fünf Jahre lang aufbewahren (§ 7a UWG). Der § 7 III UWG stellt aber auch Ausnahmeregelungen auf. Liegt beispielsweise eine Einwilligung für ein bestimmtes Produkt vor, dürfen Sie auch ähnliche Produkte bewerben.

Die Gerichte legen die Ausnahmeregelungen jedoch sehr streng aus. Gleiches gilt für das „berechtigte Interesse“ nach Art. 6 I f DSGVO. Bei Unternehmen reicht nach Ansicht einzelner Gerichte auch ein mutmaßliches Interesse im Rahmen einer Interessenabwägung aus. Ob diese anwendbar sind, kann ein Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin im Einzelfall prüfen.

Wie sieht die Rechtslage aus, wenn ich eine Telefonakquise im gewerblichen Bereich plane?

Jutta Löwe: Hier ist Telefonakquise unter Umständen erlaubt. Es kommt aber auf bestimmte Voraussetzungen an: Sie dürfen andere Unternehmer nur dann anrufen, wenn Sie vermuten können, dass der Adressat mutmaßlich in eine Telefonakquise einwilligt.

Was bedeutet „mutmaßliche Einwilligung“?

Jutta Löwe: Ein Beispiel für erlaubte Telefonakquise sind etwa bestehende oder angebahnte Geschäftsbeziehungen zum Unternehmen. Eine mutmaßliche Einwilligung können Sie ebenfalls vermuten, wenn der Angerufene gegenüber Dritten Interesse an Ihren Produkten oder Dienstleistungen gezeigt hat. Nicht zuletzt sind auch die Nähe der Produkte und Leistungen zu Ihrem Kerngeschäftsbereich ein Indiz dafür, dass Ihr Anruf erlaubt ist. Eine Druckerei, die Broschüren, Flyer oder andere Printprodukte druckt, kann beispielsweise davon ausgehen, dass Werbeagenturen Interesse an ihrem Angebot haben. Generell sollten Sie immer im Hinterkopf behalten, dass die Gerichte sehr unterschiedlich entscheiden, deshalb ist vieles Auslegungssache.

Ich sollte meine Zielgruppe also sorgfältig auswählen.

Jutta Löwe: Richtig. Es ist sehr wichtig, sich vor einer telefonischen Neukundenansprache Gedanken zu der Auswahl der Zielgruppe zu machen und genau zu überlegen, welche Unternehmen an Ihrem Produkt oder Ihrer Dienstleistung tatsächlich Interesse haben könnten. „Mögliches Interesse“ besteht nur dann, wenn potenzielle KundInnen einen Nutzen aus dem angebotenen Produkt oder der Dienstleistung ziehen, aus derselben Branche kommen oder andere Indikatoren dafürsprechen, dass das Interesse an einer Zusammenarbeit voraussichtlich besteht. Indem Sie sicherstellen, dass Ihre Telefonakquise an die richtigen Türen klopft, sind Sie auch rechtlich auf der sicheren Seite und können weiterhin über die Telefonakquise neue KundInnen gewinnen und Aufträge generieren. Das ist jedoch, wie gesagt, immer Auslegungssache im Einzelfall.

Welche Art der Telefonakquise ist im gewerblichen Bereich zweifellos verboten?

Jutta Löwe: Paragraf 7 des UWG stuft alle „geschäftlichen Handlungen, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird“ als unzulässig ein. Im Klartext bedeutet das: Telefonakquise bei Marktteilnehmenden, die Ihren Anruf offensichtlich ablehnen, ist damit verboten. Wenn Sie also bereits vom Erstkontakt in der Zentrale erfahren, dass Werbeanrufe in diesem Unternehmen nicht erwünscht sind, sollten Sie es besser kein zweites Mal versuchen. Gewerbetreibende, bei denen keine Einwilligung zu vermuten ist, sollten Sie ebenfalls in Ruhe lassen. Damit sparen Sie sich Zeit und Ärger.

Wie reagiere ich am besten, wenn ich eine Abmahnung erhalten habe?

Jutta Löwe: Bewahren Sie Ruhe. Wichtig ist, dass Sie schnell reagieren und nichts ohne Prüfung unterschreiben. Meistens schicken Abmahnende auch noch eine Unterlassungserklärung mit, die die abmahnende Person besserstellt, als es notwendig wäre. Das kann für Sie teurer werden als es sein müsste. Generell gilt: Lassen Sie Ihren Rechtsbeistand prüfen, ob die Telefonakquise in diesem individuellen Fall überhaupt verboten war.

Wann kommt es Ihrer Erfahrung nach zu Abmahnungen?

Jutta Löwe: Die Rechtslage ist nicht eindeutig und lässt Interpretationsspielraum zu. Generell empfiehlt es sich, im Telefonmarketing höflich zu sein – vor Gericht sammeln Sie damit Sympathie-Punkte. Wenn man sehr penetrant auftritt und unhöflich wird, spricht sich das schnell herum. Richter urteilen dann im Zweifel härter.

Was passiert, wenn ich die Rechtslage missachte?

Jutta Löwe: Wenn Sie verbotene Telefonakquise betreiben, droht Ihnen durch den Kunden eine Abmahnung. Er kann Sie zu einer Unterlassung auffordern, was letztlich Geld kostet. Die Höhe des Bußgelds richtet sich dabei nach der Erheblichkeit des Verstoßes, also wie unverschämt Werbende in einem Fall aufgetreten sind oder um welche Werte es geht. Darüber hinaus können auch Verbraucherverbände oder die Konkurrenz Sie abmahnen, wenn diese von Ihrem rechtswidrigen Verhalten erfahren. Die Bundesnetzagentur verfolgt unerlaubte Werbeanrufe bei VerbraucherInnen und geht gegen die VerursacherInnen vor. Im Jahr 2022 gab es knapp 65.000 Beschwerden zu Verstößen gegen das UWG, denen die Bundesnetzagentur nachgegangen ist. Im Falle eines Tatnachweises können Bußgelder von bis zu 300.000 Euro festgesetzt werden. Werbeanrufe gegenüber Unternehmen, Gewerbetreibenden und FreiberuflerInnen kann die Bundesnetzagentur nicht mit einem Bußgeld belegen.

Wie kann eine rechtssichere Telefonakquise gelingen?

Jutta Löwe: Mein Tipp: Kontaktieren Sie nur potenzielle B2B-Kunden, bei denen Sie eine mutmaßliche Einwilligung vermuten können. Bereiten Sie sich gut vor, bleiben Sie im Gespräch stets höflich, und drängen Sie Ihren Gesprächspartner zu nichts. Zu guter Letzt: Lassen Sie sich bei Zweifeln immer von einem Anwalt beraten. Diese individuelle Rechtsberatung gibt Ihnen nämlich Aufschluss darüber, ob die von Ihnen geplante Telefonakquise im Einzelfall erlaubt ist oder eben nicht. Sie sollten unabhängig davon möglichst immer auf Nummer Sicher gehen und stets eine Einwilligung für rechtssichere Telefonakquise einholen.

Vielen Dank für das Gespräch, liebe Jutta Löwe!

Unser Fazit zur Rechtslage in der Telefonakquise

Um zugleich rechtssicher und erfolgreich in der Telefonakquise zu sein, ist es in erster Linie wichtig, dass alle mit der Telefonakquise betrauten Personen die möglichen Fallstricke in der Telefonakquise überhaupt kennen und sich nicht uninformiert „um Kopf und Kragen telefonieren“. Wer sich bei der Telefonakquise an die rechtlichen Vorgaben hält, unternehmerisch einwandfrei agiert und dabei die GesprächspartnerInnen nicht belästigt, geht keine unnötigen Risiken ein. Wer zudem im Zweifel eine Rechtsberatung in Anspruch nimmt, vermeidet Verstöße gegen die aktuelle Rechtslage und damit einhergehende Bußgelder. Rechtskonform eingesetzt, bietet die gut geplante Telefonakquise viele Vorteile gegenüber anderen Methoden wie z. B. dem E-Mail-Marketing.

Unsere No-Gos bei der Telefonakquise:

  • Privatpersonen im B2C-Bereich ohne ausdrückliche Einwilligung anrufen
  • im B2B-Bereich wahllos Kaltakquise durchführen, statt Zielgruppe anzusprechen
  • Menschen am Telefon belästigen
  • „Bitte rufen Sie uns nicht mehr an“ ignorieren und ein Unternehmen erneut anrufen
  • ohne Strategie und Gesprächsleitfaden die Telefonakquise durchführen

Noch ein wichtiger Punkt: Double-Opt-In-Verfahren wie beim E-Mail-Marketing - eine gute Lösung für die Einwilligung in der Telefonakquise?

Ja, allerdings ist es bei Telefonwerbung (bislang) nicht möglich, die Einwilligung einer angerufenen Person per Double-Opt-In-Verfahren einzuholen. Es lässt sich nicht verifizieren, ob die Person, die eine E-Mail verschickt hat, tatsächlich auch InhaberIn einer bestimmten Telefonnummer ist. Eine eindeutige Rechtslösung gibt es für diesen Fall noch nicht.