Mitarbeiterfuehrung in der Krise
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Mitarbeiterführung in der Krise - Wie Führungskräfte Mitarbeiter in Corona-Zeiten unterstützen können.

 

Mitarbeiterführung in der Krise - Gastbeitrag von Dr. Andreas Wintels
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Die Corona-Krise ist zum alles beherrschenden Thema geworden. Das Virus dringt in jeden Winkel der Welt vor und seiner grassierenden Verbreitung stehen wir weitestgehend wehrlos gegenüber. Wir sind besorgt und fühlen uns bedroht. Die Ungewissheit nagt an uns. Je nach Grad unserer Empfindsamkeit unterscheiden wir uns zwar darin, wie wir auf die akute Bedrohung reagieren und wie wir sie verarbeiten, aber uns alle hat das Virus seelisch infiziert. Jeder ist gefordert, seinen persönlichen Umgang mit der Krisensituation zu finden.

Neben den psychischen sind auch die wirtschaftlichen Folgen nicht absehbar. Die Unternehmen haben zahlreiche praktische Maßnahmen zum Schutz ihrer Belegschaft ergriffen. Doch was schützt die Mitarbeiter vor der psychischen Belastung? Was können Führungskräfte gegen die seelische Ansteckungsgefahr des Virus tun? Wie kann in bestimmten Fällen die Sorge um den Fortbestand der Firma beruhigt werden? Ich möchte im Folgenden einige Überlegungen zum Thema „Mitarbeiterführung in der Krise“ beisteuern, konkret wie Führungskräfte mit geeigneten Mitteln zur psychischen Entlastung ihrer Mitarbeiter beitragen können.

Mitarbeiterführung in der Krise:
Am Modell einer „mütterlichen“ Funktion lernen

Gerade in der aktuellen Ausnahmesituation wachsender Ungewissheit und erheblicher Verunsicherungen, die weitgehend die Aufmerksamkeit der Mitarbeiter binden, kommt einer Aufgabe von Führungskräften besondere Bedeutung zu, die im normalen Unternehmensalltag weniger Beachtung beansprucht:

Mitarbeitern Halt und Orientierung zu geben.


(Bildquelle: pixabay_lighthouse-4349271)

Genauer gesagt geht es um die Kompetenz, die belastenden Emotionen der Mitarbeiter innerlich bei sich selbst zu deponieren und in dosierter Form zurückzugeben. Diese Fähigkeit wird als Containment-Funktion der Führung bezeichnet (vgl. Giernalczyk/Lohmer 2012, Lohmer 2000, Lohmer/Möller 2014). Ursprünglich handelt es sich dabei um das psychoanalytische Konzept des mütterlichen „Containers“ (vgl. Mertens 1979, 110).

Dabei spiegelt eine Mutter ihrem Kind nicht nur dessen unterschiedliche Gefühlszustände, vielmehr versucht sie, auch ein Verstehen seiner Gefühle zu fördern und ihm zu vermitteln, wie man mit dem beunruhigenden Erleben umgehen kann. Das Kind spürt so ein Gehaltensein in der Beziehung zur Mutter, die ihm gegenüber wie ein Behälter seiner bedrohlichen Gefühle fungiert. Sinnbildlich ausgedrückt kaut die Mutter die für das Kind schwer verdaulichen Emotionen mit ihm durch und gibt sie ihm danach in nun annehmbarer Form zurück, so dass das Kind lernt, sie zu bewältigen.

Mitarbeiterführung in der Krise:
Teams tragfähig machen

In einer Krisensituation kann auch eine Führungskraft gegenüber den Mitarbeitern eine solche Containment-Funktion in ähnlicher Form wahrnehmen. Dies wird nur gelingen, wenn sie die Stimmungslage der Mitarbeiter zunächst einmal überhaupt bemerkt und diese in ihren Verunsicherungen ernstnimmt.

Des Weiteren muss die Führungskraft ihren Mitarbeitern einen Raum eröffnen, in dem die Betreffenden sich über ihre momentane Gefühlslage austauschen können. So könnten beispielsweise Teamsitzungen und Videokonferenzen in Zeiten von Corona mit der Frage beginnen:

  • „Vielleicht kann jeder etwas dazu sagen, wie es ihm angesichts der aktuellen Situation gerade geht und was ihn besonders beschäftigt?“

Die Einstiegsfrage kann zu einer Einladung werden, sich neben dem individuellen Erleben auch über die persönlichen Bewältigungsstrategien des Umgangs mit der Krisensituation auszutauschen. Indem persönliche Befindlichkeiten mitgeteilt und ausgehalten werden können, wird das Team und die Organisation zu einem Ort innerer Beheimatung (vgl. Eberhard 2012, 12).

Gespräche über existentielle Sorgen und Nöte verbinden Menschen untereinander und verstärken das Gefühl von Zugehörigkeit. Die Erfahrung lautet: Hier werde ich emotional gehalten. Das gemeinsame Benennen von Belastendem bringt Entlastung (vgl. Bartsch 114).

Indem den Mitarbeitern die Möglichkeit eingeräumt wird, auszusprechen, womit sie emotional angereichert sind, erwerben sie auch eine gewisse Distanz. Die Teammitglieder können sich nun besser anderen Themen widmen und sich ihren Aufgaben zuwenden. Somit sorgt ein solches Gruppen-Containment dafür, dass Sorgen und Ängste eingedämmt werden und die Teammitglieder davon nicht emotional geflutet werden und sich nicht in ihren Verunsicherungen verlieren. Indem die Angst gebunden wird, werden Kräfte freigesetzt. Der „Energiebedarf“ für die Leistungserbringung kann wieder gedeckt werden.

Mitarbeiterführung in der Krise:
Emotionale Signale aufnehmen und aushalten können

Auch wenn in einem reifen Team ein gemeinsames Gefühl des Containments entstehen kann, ist in erster Linie die Führungskraft der Ansprechpartner für starke Emotionen. Die Führungskraft fungiert als Container für das emotionale Material der Mitarbeiter. Diesen Vorgang alltagssprachlich als Mülleimer für seelische Abfälle zu verstehen, wäre allerdings eine unzulässige Verkürzung (vgl. Dinger 2012, 13).

Bislang unverarbeitete Bedrohungs- und Belastungsgefühle zu containen (zu beherbergen), meint mehr, als sie wie ein Behälter aufzunehmen und aufzubewahren. Die Qualität des Containments besteht in einem gelingenden Verarbeitungs- und „Verdauungsprozess“. Dabei wird nicht nur benannt, was das Gegenüber beunruhigt, vielmehr auch vermittelt, wie damit so umgegangen werden kann, dass eine Beruhigung eintritt. Im Bild gesprochen wird Schwerverdauliches nicht sofort zurückgespeist, sondern durchgekaut und erst dann modifiziert und transformiert und in verkraftbarer Dosierung an das Gegenüber zurückgegeben.

Containment - Beispiel


(Bildquelle: pixabay_face-984031)

Herr K. ist ein älterer, sehr verdienter Mitarbeiter in einem mittelständischen Unternehmen. Ihn zeichnen eine hohe Fachkompetenz und ein großes Engagement für die Firma aus. Seine Kollegen schätzen ihn, außer in Situationen, in denen sie sich von ihm durch sein starkes Kontrollbedürfnis und durch seine in ihren Augen überzogenen Qualitätsansprüche behelligt fühlen.

In den letzten Wochen wirkt Herr K. besonders angespannt und dünnhäutig. Einzelne Kollegen wurden wegen mangelnder Einhaltung von Qualitätskriterien von ihm regelrecht abgebügelt und zur Ordnung gerufen und haben sich daraufhin beim Vorgesetzten über ihn beschwert. Dieser hat anlässlich der Corona-Krise eine von ihm geteilte Einschätzung der Geschäftsleitung an das Team weitergegeben, nach der keine existenzbedrohende Gefährdungslage für das Unternehmen zu erkennen und die Auftragslage sehr stabil sei.

Herr K. hat dieses Statement mit wütenden Vorwürfen gegen die Führung quittiert, die wegen der Unkalkulierbarkeit der aktuellen Turbulenzen ein völlig unrealistisches Bild der Lage zeichne. Der Vorgesetzte ist auf Grund der Massivität der verbalen Attacke regelrecht erschrocken und fühlt sich durch den emotionalen Ausbruch fast körperlich bedroht. Im ersten Moment ist er geneigt, die Vorwürfe von Herrn K. persönlich zu nehmen. Doch dann hält er inne und vermutet, dass die Emotionen, die in ihm hochgekommen sind, ihm Hinweise auf den inneren Zustand von Herrn K. liefern. Er bittet ihn daraufhin zu einem persönlichen Gespräch.

Zunächst schildert der Vorgesetzte, wie er Herrn K. erlebt, dass dieser unter Druck steht und ihm etwas Sorgen zu bereiten scheint.

„Kann schon sein“, murmelt Herr K. halblaut vor sich hin.

Auf Nachfrage kommt er auf die aktuelle Krisensituation zu sprechen und gibt zu Protokoll:

„Wir haben die Lage doch überhaupt nicht im Griff.“

Der Vorgesetzte erwidert, dass er sich angesichts der aktuellen Entwicklung auch Sorgen mache, zumal es sich um eine bisher unbekannte Bedrohung handele, er sich aber sehr darum bemühe, nicht überzureagieren, sich seriös zu informieren und sich konsequent an die Empfehlungen der Fachleute zu halten. Das wiege einen zwar nicht in absoluter Sicherheit, aber er versuche, zu lernen, den Rest an Unsicherheit auszuhalten.

Nach dieser Selbsteinschätzung wendet er sich wieder an den Mitarbeiter.

  • „Sie scheinen sich der Gefahr besonders ausgesetzt zu fühlen“.

„Nicht gerade ich persönlich“, entgegnet Herr K. und dann sprudelt es wie von einer Last befreit aus ihm hervor und er erzählt ausführlich von seiner Frau, die sich vor Monaten einer hochriskanten Operation habe unterziehen müssen. Bis heute sei sie noch nicht wieder richtig bei Kräften und auch noch nicht wieder voll arbeitsfähig.

Der Vorgesetzte reagiert mit mitfühlenden Worten auf die Eröffnungen des Mitarbeiters. Er spürt die innere Not, die Herrn K. bedrückt. Er nimmt wahr, wie lange dieser sich schon in einer belastenden Extremsituation befindet, die sich durch die aktuelle Bedrohungslage nochmals erheblich verschärft hat.

Er spiegelt Herrn K. im Gespräch diese Eindrücke zurück und schließt mit den Worten:

  • „Ich verstehe jetzt, wie gefährlich das Virus für Sie in Sorge um Ihre Frau ist und wie schwer es für Sie sein muss, sich dieser Gefahr weitgehend hilflos ausgesetzt zu fühlen.“

Herr K. nickt stumm und ihm treten Tränen in die Augen.

Der Vorgesetzte schweigt einen Moment und fährt dann fort:

  • „Das berührt Sie irgendwie und lässt Sie traurig werden. An Ihrer Stelle würde es mir vermutlich ähnlich gehen. Wahrscheinlich gäbe es viele Momente, in denen ich mich machtlos fühlen würde.“

Dann fragt er Herrn K., ob er ihm eine persönliche Erfahrung erzählen dürfe. Herr K. nickt und hört gespannt zu. Der Vorgesetzte erzählt von der Zeit nach einem schweren Motorradunfall in jungen Jahren und einem längeren Aufenthalt in einer Rehaklinik. Er habe damals große Angst gehabt, nicht mehr vollständig zu genesen. Es sei eine Zeit des Innehaltens gewesen, in der er sich sehr intensiv mit sich selbst beschäftigt habe. Mit psychologischer Hilfe habe er verschiedene Entspannungsverfahren wie Atemtechniken und die Progressive Muskelentspannung erlernt. Auch sei ihm vermittelt worden, wie er zum Beobachter seiner Gedanken werden und aus unproduktiven Grübeleien aussteigen könne. Die heilsamste Erfahrung sei allerdings gewesen, sich bewusst zu machen, dass absolute Sicherheit eine Illusion sei und es keine totale Kontrolle über das Leben gebe. Lange habe er geglaubt, dass ihn ein solcher Unfall auf Grund seiner vorsichtigen Fahrweise nicht treffen werde. Die schwere Verletzung habe ihn eines Besseren belehrt und mit seiner eigenen Sterblichkeit konfrontiert. Er habe akzeptieren gelernt, dass es im Leben unwägbare Situationen gebe, die man weder kontrollieren noch vermeiden könne.

Herr K. wirkt sehr nachdenklich und bedankt sich bei seinem Gegenüber, dass dieser ihn ins Vertrauen gezogen und von seiner Lebenskrise erzählt habe. Der Vorgesetzte lenkt das Gespräch wieder auf die aktuelle Situation und fragt Herrn K.:

  • „Wie können Sie denn nun auf bestmögliche Weise mit dieser schwierigen Situation umgehen? Gibt es vielleicht Erfahrungen aus der Vergangenheit, die hilfreich sein könnten?“

Herrn K. will auch nach längerem Überlegen dazu nicht recht etwas einfallen. Der Vorgesetzte erinnert an eine einige Jahre zurückliegende Phase, in der die wirtschaftliche Zukunft des Unternehmens auf dem Spiel stand. In dieser turbulenten Zeit, die bei allen ein Auslöser für enorme Unsicherheit war,  habe Herr K. die Verantwortung für ein überlebenswichtiges Projekt übernommen und es mit großer Umsicht zum Erfolg geführt: 

  • „Ich habe Sie damals als gleichermaßen besonnen und unaufgeregt wie entschlossen handelnd erlebt. Von daher bin ich mir sicher, dass sie es schaffen werden, mit Ihrer momentanen Verunsicherung und der belastenden Situation zurecht zu kommen.“

An der Körperhaltung von Herrn K. ist äußerlich spürbar, wie ihn die Worte seines Vorgesetzten innerlich aufrichten. Er erzählt angeregt, wie er damals die Herausforderung angenommen hat. Im Fortgang des Gesprächs suchen beide nach Gestaltungsmöglichkeiten, wie nun konkret weiter vorgegangen werden kann. Sie vereinbaren, dass Herr K. ab sofort ins Homeoffice geht, um bei seiner Frau zu bleiben und seine eigene Ansteckungsgefahr zu minimieren.

Auch will er noch einmal einen Facharzt zu Rate ziehen. Mit seinen erwachsenen Kindern will er sprechen, wie diese aus der Ferne emotional unterstützen können. Zum Schluss des Gesprächs wirkt Herr K. sichtbar erleichtert und entspannt. Der Vorgesetzte bedankt sich bei ihm, dass er sich ihm anvertraut habe. Herr K. meint, er habe zu danken, für das Verständnis und die Unterstützung. Er habe jetzt wieder etwas Boden unter den Füßen.

Mitarbeiterführung in der Krise:
Bangen um die Existenz des Unternehmens konstruktiv bearbeiten


(Bildquelle: pixabay_smoking-1278713)

Werden Mitarbeitern keine Möglichkeiten zur emotionalen Verarbeitung der Situation eingeräumt, bleiben sie innerlich mit der Thematik beschäftigt, was einen großen Teil ihrer Energie absorbiert. Sie wirken mit einem Male lethargisch und resigniert oder werden gar panisch.  

Zu solchen Auswirkungen kommt es insbesondere dann, wenn das Unternehmen selbst durch die Krise in eine Notlage gerät und die Mitarbeiter ihre aufkommenden Ängste nicht gegenüber den Führungskräften und dem Management adressieren können.

Sollten Lieferketten unterbrochen werden, die Auftragslage massiv einbrechen und wichtige Kunden wegbrechen, ist das Management gut beraten, sich vor die Mannschaft zu stellen und die Gefahrensituation rechtzeitig transparent zu thematisieren. Bloße Information der Belegschaft reicht dabei nicht aus.

Das Mittel der Wahl kann nur

Verharmlosen oder Beschönigen geht nach hinten los. Die Dinge wollen beim Namen genannt werden. Klarheit und Wahrheit ist bei Mitarbeiterführung in der Krise das Gebot der Stunde. Es ist wie mit der Wahrheit am Krankenbett. Die meisten Kranken wollen wissen, wie es um sie steht, denn nur aus dem geteilten Wissen zwischen Arzt und Patient können sie die Kraft schöpfen, gegen die Krankheit anzukämpfen (vgl. Meerwein 1987, 191).

Den Mitarbeitern die Wahrheit vorzuenthalten, würde das Vertrauensverhältnis zwischen Belegschaft und Management nachhaltig beschädigen. Die Erfahrung des inneren Gehaltenwerdens entsteht nur in einem Umfeld, das Glaubwürdigkeit ausstrahlt. Darüber hinaus ist den Mitarbeitern Gelegenheit zu geben, zu den Statements des Managements in einem offiziellen Rahmen Stellung nehmen zu können.

Die Verantwortlichen dürfen sich dem offenen Äußern von Befürchtungen und Sorgen nicht entziehen, sondern

  • müssen empathisch zuhören,
  • auf emotionale Reaktionen eingehen,
  • Verständnis für die wahrgenommene Not zeigen,
  • Fragen wahrhaftig beantworten,
  • Mutmaßungen bestätigen oder korrigieren und
  • so Spannungen abbauen und
  • die Situation für die Betroffenen erträglicher machen.

Wo stattdessen auf Grund der Verweigerung von Information und Kommunikation durch die offizielle Seite ein Vakuum entsteht, werden im informellen Bereich (beispielsweise in der Gerüchteküche) toxische Bedrohungsphantasien ihre Blüten treiben. Das Erleben von Tragfähigkeit stellt sich nur dort ein, wo von den Entscheidungsträgern alles ungeschminkt auf den Tisch gepackt, gemeinsam durchgekaut und seelisch verdaut wird. Durch diesen vertrauensvollen Prozess der Verarbeitung erhält die Belegschaft eine Möglichkeit, mit der Bedrohung konstruktiv umzugehen.

Ergänzend versteht es sich von selbst, dass die Halt- und Orientierung gebende Funktion eines Containments durch ausreichend Schutzmaßnahmen weiter verstärkt wird.

Dazu zählen gegebenenfalls

  • die Einführung von Kurzarbeit,
  • die Ermöglichung von Homeoffice,
  • die Bereitstellung von Desinfektionsmitteln,
  • das Drängen auf die Einhaltung der Hygienevorschriften und Abstandregeln und
  • Vergleichbares mehr. 

Wo die wirtschaftlichen Aktivitäten einzelner Unternehmen sich krisenbedingt im freien Fall befinden, werden Führungskräfte mit schmerzhaften Aspekten ihrer beruflichen Rolle konfrontiert. Sie müssen Mitarbeiter entlassen, zu denen sie eine intensive emotionale Bindung aufgebaut haben, die sich möglicherweise über Jahre hinweg für die Firma engagiert haben, stets eine hohe Identifikation mit „Ihrem“ Unternehmen gezeigt haben und deren Aussichten auf dem Arbeitsmarkt altersbedingt eher gering sind.

Sich in dieser bedrückenden Situation als Container in einem Entlassungsgespräch zur Verfügung zu stellen, ist eine die Führungskraft besonders fordernde Aufgabe. Die Versuchung, das Gespräch zu vermeiden oder an jemand Fremdes zu delegieren, um sich zu schonen, mag da groß sein und menschlich verständlich (siehe zu dieser Delegationspraxis Lazar 2000, 47). Wahrscheinlich erlebt der Verantwortliche sich selbst als der schwierigen Wirtschaftslage ohnmächtig und hilflos ausgeliefert und obendrein plagt ihn noch sein schlechtes Gewissen.

Will man sich das Gespräch ersparen oder es „kurz und schmerzlos“ hinter sich bringen, würde sich der betroffene Mitarbeiter umso stärker entwertet fühlen. Die einzige „Wertschätzung“, die man ihm in der Trennungssituation noch zuteilwerden lassen kann, ist, sich dieser äußerst unangenehmen Aufgabe im persönlichen Dialog zu stellen – auch um den Preis der unmittelbaren Konfrontation mit den starken Gefühlen des Gegenübers (siehe ausführlich zu Kündigungsgesprächen Schrader/Küntzel 1995).

Wer in diesem Gespräch nicht schlimmere Verletzungen als unbedingt nötig riskieren will, tut gut daran, für emotionale Reaktionen des Anderen wie Angst, Scham, Wut oder Trauer Verständnis aufzubringen und auszudrücken.

  • „Ich kann verstehen, dass dies für Sie ein harter Schlag und eine schmerzhafte Nachricht ist. Ich schätze Sie als… und es fällt mir besonders schwer, diese Kündigung auszusprechen.“

Es ist auch eine Frage der Fairness gegenüber dem Betroffenen, Mitgefühl zu zeigen und den Ausdruck heftiger Emotionen des Mitarbeiters zu ertragen und damit die Belastung des Anderen anteilnehmend mitzutragen. Das Wissen um die Containment-Funktion einer Führungskraft sensibilisiert dafür, dass diese verständnisvolle Art von Gesprächsführung einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der schweren Erfahrung leistet.

Mitarbeiterführung in der Krise:
Sich von der Sogwirkung der Krise nicht überwältigen lassen


(Bildquelle: pixabay_pattern-1097464)

Unabhängig davon, was mich gerade alles beschäftigt, die Sorge vor dem Arbeitsplatzverlust oder vor der eigenen Ansteckung oder der von nahen Angehörigen: Eine andauernde Fokussierung der Aufmerksamkeit auf das Krisenerleben würde das Ausmaß der Angst nur noch weiter verstärken.

In der Hypnotherapie nach Milton Erikson wird in diesem Zusammenhang von einer „Problem-Trance“ (Gilligan/Schmidt) gesprochen (vgl. beispielsweise Schmidt 2007).

Unwillkürlich erleben wir uns dermaßen absorbiert von der Krise, dass wir uns quasi selbst hypnotisieren und zum Kaninchen vor der Schlange werden. Als Gegenmaßnahme empfiehlt die Hypnotherapie die gezielte Umfokussierung von Aufmerksamkeit. Deshalb ist es notwendig, sich Auszeiten vom Corona-Thema zu nehmen und bewusst über andere Themen zu sprechen oder anderen Aktivitäten nachzugehen.

Wo Führungskräfte mitbekommen, dass Mitarbeiter medial eine Katastrophenmeldung nach der anderen verfolgen, erscheint es angezeigt, dass sie diese auf die negativen Nebenwirkungen einer solchen permanenten Beschäftigung mit dem Thema aufmerksam machen. Es gilt, sich nicht pausenlos von furchteinflößenden Szenarien in den Bann ziehen zu lassen, sondern immer wieder bewusst auf Distanz zum Krisengeschehen zu gehen.

Mitarbeiterführung in der Krise:
Nicht direkt nach Lösungen fragen, sondern zunächst eine emotionale Brücke schlagen


(Bildquelle: pixabay_bridge-2887353)

Zwar scheint es angezeigt, dass Führungskräfte in Corona-Zeiten ihre Containment-Funktion in den Vordergrund bringen. Gleichzeitig stellt sich aber die Frage, ob sie sich von der emotionalen Wirklichkeit ihrer Mitarbeiter überhaupt erreichen lassen. Statt Belastendes an sich heranzulassen, wird rasch zum vermeintlichen Heilmittel der Lösungsorientierung gegriffen, indem Patentrezepte zum Besten gegeben werden oder der Mitarbeiter nach einer praktischen Lösung für seine Problemsituation gefragt wird.

Bevor nach Lösungen gesucht wird, sollte allerdings stets eine emotionale Brücke zu dem Betroffen gebaut werden. Erst das Containment, dass die Emotionen benennt und aufnimmt, macht frei für die Lösungssuche.

Um diese Vorgehensweise zu präzisieren, ist hier das ebenfalls auf Milton Erikson zurückgehende und dem NLP (Neuro-Linguistische Programmieren) entlehnte Konzept des Pacings und Leadings hilfreich. Dabei dockt man zunächst bei den persönlichen Sichtweisen und Problemschilderungen des Gegenübers an (Pacing), um dann ein bestimmtes Ziel anzusteuern (Leading).

Beim Pacing geht es im Kern darum, eine bekannte pädagogische Faustformel zu beherzigen:

Die Mitarbeiter da abholen, wo sie stehen.

Angestrebt wird eine möglichst passgenaue Einstimmung auf die Lage des Anderen. Dieses Eingehen auf das Gegenüber kann bis zu einer weitgehenden Angleichung an seine Ausdrucksweise vollzogen werden. Man kann etwa das Gesagte empathisch spiegeln oder eine ähnliche Köperhaltung, Mimik, Gestik und Sprechgeschwindigkeit annehmen. Wichtiger als einzelne Pacingstrategien ist jedoch, dass der Andere sich in seiner Ausgangslage anerkannt und angenommen fühlt. War das Andockmanöver erfolgreich, gelingt es leichter, zum Leading überzugehen und nun lösungsorientiert subtile Veränderungen in Richtung eines angestrebten Zielzustands zu initiieren (vgl. Schmidt 2008, 85f. und Schmidt 2007, 118f.).

Mitarbeiterführung in der Krise:
Mit dem Selbstoffenbarungsohr unter der Wasseroberfläche navigieren


(Bildquelle: pixabay_adventure-1850673)

Den vorliegenden Befund zur Führung in der Krise verstärkend, soll an dieser Stelle auch an die gängigen Kommunikationsmodelle des Kommunikationsquadrats nach Schulz von Thun und des Kommunikationseisbergs erinnert werden.

Bekanntlich senden wir unsere Botschaften auf den vier Ebenen Sache, Beziehung, Selbstoffenbarung und Appell und hören entsprechend Äußerungen Anderer mit dem Sach-, Beziehungs-, Selbstoffenbarungs- oder Appellohr. Wie wir Nachrichten senden oder empfangen, hat viel mit unserer persönlichen Prägung zu tun.

Das Modell regt zum einen an,

  • sich die damit verbundenen Vorlieben und Einschränkungen seines persönlichen Kommunikationsstils bewusst zu machen

und zum anderen

  • das eigene Repertoire zu erweitern.

So kann ich mir beispielsweise darüber klarwerden, dass ich dazu neige, Anderen Tipps und Ratschläge zu geben (Appellebene), nachdem ich ihr Verhalten kritisch kommentiert habe (Beziehungsebene) und Anderen selten Einblick gewähre, wie es mir gerade geht (Selbstoffenbarungsebene). Oder ich erkenne die Neigung, häufig auf dem sensiblen Beziehungsohr zu hören und rasch gekränkt zu reagieren.

Kennt eine Führungskraft ihre Sprech- und Hörgewohnheiten, kann sie bewusst entscheiden, welcher „Schnabel“ und welches „Ohr“ in welcher Situation vorrangig zum Einsatz kommen soll (vgl. Schulz von Thun 2008, insbesondere 16-35).

In Krisensituationen tut sie gut daran, die kommunikativen Weichen verstärkt in Richtung „Selbstoffenbarungsschnabel“ und „Selbstoffenbarungsohr“ zu stellen. So kann Sie kenntlich machen, wie ihr selbst angesichts der Krise zumute ist und wie sie die Situation emotional verarbeitet.

Wo Führungskräfte in Punkto persönliche Offenheit in Vorleistung gehen, ziehen Mitarbeiter häufig nach. Außerdem stärken dergleichen Veröffentlichungen stets die Vertrauensbeziehung zwischen beiden Seiten. Was in Zeiten großer allgemeiner Verunsicherung eine Führungskraft in der Kommunikation primär auf Empfang schalten sollte, ist das Selbstoffenbarungsohr. Dünnhäutige Reaktionen von Mitarbeitern sind dem Stresserleben geschuldet und dürfen nicht persönlich genommen werden.

Nicht Abwehr oder Verteidigungshaltung ist jetzt gefragt, sondern Neugier und Empathie. Führungskräfte fokussieren sich in dieser Situation am besten auf Fragen wie

  • Was ist mit dem Mitarbeiter los?
  • Wieso verhält er sich so?
  • Was verbirgt sich dahinter?
  • Wie fühlt er sich vermutlich innerlich?

Mit der notwendigen Tiefenschärfe erkennt die Führungskraft, dass das problematische Verhalten des Mitarbeiters durch Gefühle der Angst, Hilflosigkeit und Ohnmacht ausgelöst wird. Das versetzt sie in die Lage, nicht konfliktverschärfend zu reagieren, selbst wenn der Andere sich „verrückt“ verhält.

Bei Menschen haben wir es nie nur mit rein sachlichen Herausforderungen zu tun, sondern in viel stärkerem Ausmaß mit emotionalen. Das gilt erst recht unter Bedingungen, bei denen ihre Katastrophenphantasien ins Kraut schießen. Selbst unter der Wucht einer bedrohlichen Pandemie liegen jedoch die emotionalen Reaktionen darauf nicht immer wahrnehmbar zutage. Stattdessen entfalten sie ihre Wirkung im Verborgenen.


(Bildquelle: cold - © Pexels - pixabay.com)

Wie bei einem Eisberg spielt sich der geringste Teil, die Sachebene, oberhalb der Wasseroberfläche ab, während die Gefühle den unsichtbaren Bereich unterhalb der Wasseroberfläche ausmachen. Auch wenn es bisweilen schwer ist, das mitzubekommen, so beeinflusst der verborgene Gefühlsbereich stark den sichtbaren Sachbereich.

Aus der Erkenntnis vom Zusammenspiel zwischen Sach- und Gefühlsebene ergibt sich für Führungskräfte eine klare Handlungsempfehlung: Geht es in der Sache nicht weiter, schau auf der Gefühlsebene nach und sprich an, was sich dort abspielt (Siehe dazu ausführlich Doppler u.a. 2002). Dazu braucht es allerdings die Fähigkeit, eigene Gefühle zuzulassen und sich in die Gefühlswelt anderer Menschen hineinversetzen zu können.

Wenn eine Führungskraft versteht, dass durch die Corona-Krise die Innenwelt der Mitarbeiter in emotionalen Aufruhr gerät, wird sie ihren Aufmerksamkeitsfokus auf diesen Bereich verschieben. Mit dem Selbstoffenbarungsohr zu hören und auf den Gefühlsbereich ausgerichtet zu sein, schafft die Voraussetzung, um gezielt eine Containment-Funktion wahrnehmen zu können.

Mitarbeiterführung in der Krise:
Bei der Angst ankommen und sie ausdrücken


(Bildquelle: pixabay_portrait-3138140)

Was unterhalb der Wasseroberfläche wirkt, ist angesichts höchst unterschiedlicher Reaktionen auf die aktuelle Bedrohungslage nicht selten eher schwer zu orten. Eine erste Differenzierungshilfe bietet in dieser Hinsicht das Wissen um die drei klassischen Mechanismen bei heftigem Stresserleben.

Die moderne Hirnforschung macht darauf aufmerksam, dass es in starken Stresssituationen zu einem Fahrstuhleffekt im Gehirn kommt. Statt reife Bewältigungsmuster einzusetzen, fahren wir in den entwicklungsgeschichtlich ältesten Teil des Gehirns herunter und greifen auf die dort befindlichen archaischen Notfallprogramme zurück:

  • Angriff,
  • Flucht und
  • Erstarrung (Totstellreflex)


1. Auf in den Kampf

Das Ausmaß der Angst entscheidet darüber, ob diese Reflexe und in welcher Ausprägung zum Einsatz kommen. Manche Menschen reagieren auf die akute Bedrohung durch das Corona-Virus im Kampfmodus. Sie werden offensiv und machen Hamsterkäufe und – wenn es sein muss – verteidigen sie nach dem Sturm auf das Klopapier aggressiv ihre „Beute“. Auch Schuldzuweisungen wie „Die Chinesen sind schuld“ gehören zu diesem Bewältigungsmuster. Da man die Gefahrenquelle selbst (das Virus) nicht angreifen und aggressiv beseitigen kann, sucht man nach einer Möglichkeit, um die eigene Wut kanalisieren zu können. Andere zum Objekt der eigenen Aggressionen zu machen, ist ein solcher Ausweg.

2. Auf der Flucht

Reagiert man mit der Option „Flucht“, so zieht man sich in die eigenen vier Wände zurück und schottet sich dort weitgehend von allem ab. Der Rückzug ins Schneckenhaus signalisiert, sich vom Geschehen komplett distanzieren zu wollen.

3. Erstarrung

Verfällt man in den Totstellreflex, bringt diese Form der Passivität die Haltung zum Ausdruck: „Mich geht das alles gar nichts an. Das betrifft mich nicht. Ich mache so weiter wie gewohnt“. Bei dieser Strategie der Verharmlosung und Verleugnung wird die Angst auch in Form einer unrealistischen Vorstellung eigener Grandiosität („Mir kann das nicht passieren. Es trifft nur die Anderen“) abgewehrt.

Zur Identifizierung einer Gefahr und zum Schutz vor ihr ist Angst in einer Bedrohungssituation grundsätzlich das richtige Gefühl. Allerdings kann das Ausmaß der Angst irrationale Dimensionen annehmen und in der Folge zu entsprechendem Verhalten führen. Egal wie sich die Angst äußert, ob offen oder verdeckt, in dieser Situation ist es angezeigt, mit dem Mitarbeiter (wie im Beispiel von Herrn K. dargelegt) das Gespräch zu suchen. Und zwar nicht, wie viele fälschlicherweise immer wieder meinen, um dem Mitarbeiter die Angst zu nehmen.

Gut gemeinte Versuche, dem Mitarbeiter seine Angst auszureden, etwa in der Form

  • „Sie brauchen doch keine Angst zu haben. Sie gehören doch zu keiner Risikogruppe“

bewirken das Gegenteil. Auch wenn es im ersten Moment paradox klingt: Der Angst den Raum zu nehmen, verstärkt die Angst. Der Angst Raum zu geben, verringert sie.

Das hängt mit der Halbwertzeit von Gefühlen zusammen. So lapidar es auch klingt, aber Gefühle kommen und gehen. Wenn sie sein dürfen und ausgedrückt werden, schwächen sie sich auch wieder ab. Kämpft man allerdings gegen ein Gefühl an, bleibt es umso länger mein Gast.

Da Gefühle nicht sofort per Knopfdruck abgeschaltet werden können, muss man sie für eine bestimmte Zeit

  • zulassen,
  • akzeptieren und
  • aushalten.

Wenn ich als Führungskraft um diese Zusammenhänge weiß, kann ich weniger erschrocken das den Mitarbeiter Schreckende ansprechen:

  • „Wie erleben Sie die Situation denn gefühlsmäßig?“

Um einem weiteren Missverständnis vorzubeugen: Die Angst beim Namen zu nennen, meint nicht, sie dem Mitarbeiter diagnostisch auf den Kopf zuzusagen:

  • „Aha, sie haben also Angst.“

Weil es zum Selbstbild vieler Menschen, vor allem dem von Männern, gehört, keine Angst zu haben, könnten manche sich durch die Aussage beschämt fühlen. Eine niedrigschwellige Herangehensweise leistet in diesem Fall gute Dienste. So lässt sich das Wort „Angst“ durch den Begriff „Sorge“ ersetzen:

  • „Ich kriege mit, dass Sie sich große Sorgen machen“.

Auch kein Mann wird leugnen, dass man sich nicht Sorgen machen darf.

Selbstverständlich ist die Führungskraft selbst genauso gefordert, mit Unsicherheit umzugehen und ihre eigene Angst innerlich auszuhalten. Selbstwahrnehmung in Form einer intensiven Beschäftigung mit der eigenen Innenwelt ist dazu unerlässlich. Nur so kann der bleibenden Gefahr einer auf sich selbst bezogenen Betriebsblindheit entgegengewirkt werden. Die Offenheit und Aufmerksamkeit für die eigenen seelischen Vorgänge kann dann zum Impuls für schrittweise Veränderungen werden.


(Bildquelle: pixabay_model-2303361)

Ein gutes Verhältnis zu sich selbst ist die Basis für emotionale Intelligenz, die wichtigste Eigenschaft, die Führungskräfte heute, d.h. nicht nur zur Mitarbeiterführung in der Krise brauchen. Führungskräfte, die nicht über diese Kompetenz verfügen und einem technisch-ingenieursmäßigen Denken verhaftet sind, werden kaum der Aufgabe gewachsen sein, psychische Belastungen und körperliche Erkrankungen stellvertretend für die Mitarbeiter zu verarbeiten.

Wenn die Teammitglieder besorgt und traurig sind, dass ein beliebter Kollege schwer an Covid 19 erkrankt ist, wird eine rein kognitiv agierende Führungskraft nicht in der Lage sein, diesen Emotionen für das Team eine Stimme zu geben. Viel gewonnen wäre allerdings, wenn sie in Kenntnis dieser fehlenden Kompetenz anderen Teammitgliedern die Möglichkeit einräumt, eine Containment-Funktion zu übernehmen und bei belastenden Emotionen integrierend zu wirken. In einem reifen Team muss eine Führungskraft im Bewusstsein ihrer eigenen Begrenztheit nicht alle wichtigen Fähigkeiten auf sich vereinigen, aber dafür Sorge tragen, dass sie verfügbar sind.

Mitarbeiterführung in der Krise:
Zuversicht ausstrahlen und wecken

Wenn Emotionen ansteckend sind, gilt dies wegen der emotionalen Bedeutung von Führungskräften für ihre Mitarbeiter ganz besonders für die der Führungskräfte selbst. Ausschließlich mit Alarmismus auf die Bedrohung zu reagieren, versetzt die Mitarbeiter in eine depressive Stimmungslage von

  • Resignation,
  • Hilflosigkeit und
  • Ohnmacht.

Eingedenk der ansteckenden Wirkung von Emotionen gehört zu einem gelingenden Containment auch die Vermittlung von Zuversicht in die Gestaltbarkeit der Situation (vgl. Lohmer 2000, 35). Dazu können beispielsweise ressourcenorientierte Botschaften im Sinne eines unternehmenshistorischen Rückblicks beitragen:

  • „Schon damals haben wir die Finanzkrise erfolgreich bewältigt und einen wirtschaftlichen Einbruch in einem gemeinsamen Kraftakt überwunden. Das stimmt mich zuversichtlich, dass wir auch diese Krise meistern werden.“

Da der Glaube bekanntlich Berge versetzt, kann die positive Perspektive im Sinne einer erstrebenswerten Zukunftsvision noch weiter ausgemalt werden.

  • „Es wird ein Danach geben und das stelle ich mir wir folgt vor…“

Förderlich für das Erzeugen einer zuversichtlichen Stimmung bei den Mitarbeitern ist zudem, auf sie aus einer Perspektive der Potenziale und Kompetenzen zu schauen. In Summe wird der Mitarbeiter dadurch gestärkt, wie die Führungskraft über ihn denkt: Weil die Führungskraft ihm zutraut, es zu schaffen, mit seiner Unsicherheit und Angst klar zu kommen, lernt er, sie schlussendlich zu bewältigen.

Mitarbeiterführung in der Krise:
Als Führungskraft den eigenen Weg durch die Krise finden und dabei gut für sich selber sorgen


(Bildquelle: pixabay_beard-1845166)

Die bisher vorgetragenen Analysen haben die Kunst des Mitarbeiterführens in der Krise als äußerst anspruchsvoll beschrieben. Auch wenn gerade in Zeiten allgemeiner Verunsicherung Führung eine besondere Vorbildfunktion zukommt, so darf die Führungskraft nicht zum Krisenhelden stilisiert werden.

Führungskräfte wie Mitarbeiter sind durch die Bedrohungslage gleichermaßen Belastete und davon Betroffene. In Bezug auf unser Selbstverständnis von Führung leben wir längst in postheroischen Zeiten und in der Krise soll der Held nicht durch die Hintertür wieder eingeführt werden. Die eigenen Befindlichkeiten und bisweilen selbstverleugneten Bedürfnisse von Führungskräften dürfen nicht ins Abseits der Aufmerksamkeit geraten. Sich in der Fürsorge für die Mitarbeiter in die Pflicht zu nehmen, muss in einem guten Gleichgewicht bleiben zur wertschätzenden Sorge für sich selbst.

Nur wer für seine eigene psychische Entlastung Verantwortung übernimmt, wird sich nicht zu stark für seine Mitarbeiter verantwortlich fühlen und sie nicht für seine eigene psychische Stabilisierung instrumentalisieren (vgl. ausführlich zu dieser Problematik Schmidtbauer 1977). Dies wird aber nur insoweit gelingen, wie diese Umgangsweise nicht dem eigenen Anspruch zuwiderläuft, eigene Belastungen und Bedürfnisse zuzulassen. Jede Begegnung mit einem Mitarbeiter in dieser Zeit der Ungewissheit stellt jedenfalls immer auch die Möglichkeit zur Selbstüberprüfung dar: Wie gehe ich mit dieser Situation um?

Wer dieser Frage folgt, wird aktiv nach einem eigenen Weg der Bewältigung suchen. Eine der wichtigsten Hilfsquellen im privaten Umfeld dürfte dabei der Rückgriff auf soziale Ressourcen sein. Sich einer nahen Bezugsperson, sei es in der Partnerschaft, einer Freundschaft, im Bekannten- und Verwandtenkreis im Gespräch öffnen zu können und sich dabei mit dem eigenen Krisenerleben als angenommen zu erfahren, bringt deutlich Erleichterung und Entspannung in die Situation. Auf Corona reagieren manche Menschen auch mit einer Kontaktsperre gegenüber sich selbst. Sie bemerken kaum, wie es ihnen innerlich geht. In diesen Fällen, wo jemandem der Zugang zum eigenen Krisenerleben versperrt ist, kann das Feedback von Partnern und Freunden eine große Hilfe sein. Wer Wirkungen des eigenen Verhaltens mitgeteilt bekommt, erhält die Chance, der „Wahrheit“ über sich selbst auf die Spur zu kommen.

Im beruflichen Umfeld ist es für einen kompetenten Umgang von Führungskräften mit eigenen Belastungen förderlich, wenn Unterstützungsformen im Unternehmen bereits eine etablierte Praxis darstellen. Je vertrauter und akzeptierter diese Angebote sind, desto weniger wird ihre Nutzung als Eingeständnis eigener Schwäche verstanden. Welche Möglichkeiten finden Führungskräfte in ihrer Firma, die Entlastung und Orientierung für sie selber bieten?

  • Wünschenswert wäre, wenn Führungskräfte selbst Erfahrungen des Containments bei ihren Vorgesetzten sammeln könnten (vgl. Bartsch 120).
     
  • Und wenn sie ein kollegiales Netzwerk bilden und einen Raum schaffen, in dem sie sich über ihre Befindlichkeiten austauschen, erleben sie auch auf gleicher Ebene gegenseitige Unterstützung. Die Basis für eine solche Praxis ist allerdings eine Vertrauensbeziehung untereinander, die nicht durch starkes Konkurrenzdenken in Frage gestellt wird.
     
  • Als Ort emotionaler Entlastung und sozialer Unterstützung kann auch ein Coaching dienen. In diesem Rahmen könnte bei hoher eigener Betroffenheit insbesondere nach einer sinnvollen Balance zwischen emphatischer Sensibilisierung und angemessener Distanzierung gesucht werden.
  • Zuletzt dürfte ebenfalls eine Containment-Qualität des gesamten Teams ihren Leitern zu Gute kommen. Den Abschied vom Heldendasein der Führungskraft untermauert auch die Aufforderung an heutige Führungskräfte, ihren Mitarbeitern „auf Augenhöhe“ zu begegnen. Nimmt man die Forderung ernst, so kann die Begegnung von Teamleiter und Teammitglied keine Einbahnstraße sein, sondern es herrscht Gegenverkehr. Teammitglieder nehmen also ebenso auf und verdauen, was von ihrem Leiter offengelegt wird und nicht nur umgekehrt. Sollte eine Situation eintreten, in der die Führungskraft zu erkennen gibt, wie stark sie selbst durch die Krise belastet ist, wird ein reifes Team sie durch diese Zeit stützend begleiten.  Für den unwahrscheinlichen Fall, dass ein Teammitglied diese Preisgabe einer „vermeintlichen“ Schwäche für eigene Karrierezwecke gegen seine Führungskraft verwenden sollte, hätte es sich dauerhaft disqualifiziert. Wo in dieser qualifizierten Form wechselseitig eine Containment-Funktion verwirklicht wird, kann das Virus zumindest der psychischen Gesundheit spürbar weniger anhaben.
     


Dr. Andreas Wintels ist selbstständiger Führungskräftetrainer, Coach und Mediator aus Münster. Kontakt: seminare(at)wordbridge-academy.de Tel. 0251 394 88 527

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Quellen / Literaturhinweise / Bildnachweise:

Bartsch, Erdmute: Containment, in: Dinger, Wolfgang (Hg.): Gruppenanalytisch denken – supervisorisch handeln, Kassel 2012, 108-130

Eberhard, Hans-Joachim: Gruppenkompetenz in Supervision und Arbeitswelt, in: Dinger, Wolfgang (Hg.): Gruppenanalytisch denken – supervisorisch handeln, Kassel 2012, 17-26

Dinger, Wolfgang: Das Verhältnis von Gruppenanalyse und Supervision, in: ders. (Hg.): Gruppenanalytisch denken und supervisorisch handeln, Kassel 2012, 7-13

Doppler, Klaus / Fuhrmann, Hellmuth u.a.: Unternehmenswandel gegen Widerstände, Frankfurt 2002

Giernalczyk, Thomas / Lohmer, Mathias (Hg.): Das Unbewusste im Unternhmen, Stuttgart 2012

Lazar, Ross A.: Psychoanalyse, „Group Relations“ und Organisation: Konfliktbearbeitung nach dem Tavistock-Arbeitskonferenz-Modell, in: Lohmer, Mathias (Hg.): Psychodynamische Organisationsberatung, Stuttgart 2000, 40-78

Lohmer, Mathias: Das Unbewusste im Unternehmen: Konzepte und Praxis psychodynamischer Organisationsberatung, in: ders. (Hg.): Psychodynamische Organisationsberatung, Stuttgart 2000, 17-39

Lohmer, Mathias / Möller, Heidi: Psychoanalyse in Organisationen, Stuttgart 2014

Meerwein, Fritz: Angst vor Wahrheit am Krankenbett, in: Schultz (Hg.): Angst, Stuttgart 1987, 186-197

Mertens, Wolfgang: Psychoanalyse, Geschichte und Methoden, München 1997

Schmidt, Gunther: Liebesaffären zwischen Problem und Lösung, Heidelberg 2007

Schmidt, Gunther: Einführung in die hypnosystemische Therapie und Beratung, Heidelberg 2008

Schmidtbauer, Wolfgang: Hilflose Helfer, Hamburg 1977

Schrader, Einhard / Küntzel, Ulrich: Kündigungsgespräche. Über den menschlichen Umgang mit persönlichen Katastrophen, Hamburg 1995

Schulz von Thun, Friedemann: Miteinander reden: Fragen und Antworten, Hamburg 2008