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Beratung im Verkauf - Die Wanderung auf dem Drahtseil


Beraten oder Verkaufen? Das ist in einem Kundengespräch oft die Frage. Beraten Sie noch oder verkaufen Sie schon? Gehören Sie zu den Menschen, die diese Frage ganz klar mit „Beides!“ beantworten?

Und wie schon Hamlet, grübeln hierzulande VerkäuferInnen über diese Identitätsfrage, wenn es darum geht erfolgreich Produkte und Dienstleistungen an die potenziellen KundInnen zu bringen. Mit Beratung? Durch Verkauf? Oder am besten beides zusammen?

Was ist der Unterschied zwischen Beratung und Verkauf?

Scheint doch eindeutig, oder? Beim Beraten geht es darum, den KundInnen ihre Fragen zu beantworten oder eine Lösung für ein individuelles Problem zu bieten. Potenzielle KundInnen suchen Antworten, BeraterInnen haben diese parat. KundInnen sind nach einer guten Beratung informiert und zufrieden, BeraterInnen sind zufrieden, weil sie kompetent weiterhelfen konnten. Denn das ist ihr Ziel. Proaktiv weitere Optionen anzubieten, gehört eher nicht zum Beraterjob. Hier wird sich meist nur auf den konkreten Bedarf der KundInnen ausgerichtet. Dadurch verpasst man allerdings häufig gute Verkaufschancen.

Der Verkauf dagegen geht immer einen Schritt weiter, über die Beratung hinaus: es soll nämlich in jedem Fall zum Verkaufsabschluss kommen. VerkäuferInnen möchten ein Produkt oder eine Dienstleistung verkaufen. Im Idealfall löst dieses Produkt bzw. die Dienstleistung auch noch individuelle Probleme der KundInnen. Dafür fragen VerkäuferInnen aktiv nach und denken weiter, um ihre Verkaufschancen zu erhöhen und über den konkret geäußerten Bedarf der KundInnen hinaus zu verkaufen. Denn VerkäuferInnen sind erst zufrieden, wenn sie erfolgreich verkauft haben.

Verkaufen und Beraten – das scheint sich für viele Mitarbeitende im Vertrieb auch heutzutage noch wahrhaft gegenseitig auszuschließen. Doch die Welt ist nicht dichotom (gespalten), nicht binär (in zwei Teile teilbar) und disjunkt (überschneidungsfrei), sondern voll von Pluralismen. So lassen sich selbst diese zwei so gegensätzlich erscheinenden Ansätze – Beratung und Verkauf – zur erfolgreichen Beratung im Verkauf verbinden. Dies gelingt allerdings nur mit der richtigen Balance. So wie eine Wanderung auf einem Drahtseil die richtige Balance erfordert, so ist auch der Drahtseilakt zwischen einer guten Beratung und einem erfolgreichen Verkauf die Kür für VerkäuferInnen. 

Warum Beratung im Verkauf wichtig ist ...

Eine rasche Suche im Internet lässt zahlreiche Beiträge zum Thema „Beratung im Verkauf“ aufkommen. AutorInnen, die sich gerne eindeutig auf der einen oder anderen Seite des Spektrums positionieren, machen es beinahe zu einer Frage des Stolzes, mit welcher Berufsgruppe man sich identifiziert, und schließen Aspekte der jeweils anderen Berufsgruppe von vornherein kategorisch aus.

Dabei profitieren vor allen Dingen VerkäuferInnen, die einen Verkaufsabschluss im Sinn haben enorm davon, Aspekte des Beratens in ihr Repertoire mitaufzunehmen. Laut der Roland Berger Studie (2015) haben Kunden im B2B oftmals schon ein enormes Vorwissen über das Produkt, wenn erstmals ein Vertriebsmitarbeiter kontaktiert wird. Wir können uns heute über jedes Produkt umfassend online informieren, Bewertungen lesen, Fotos und 360Grad-Ansichten anschauen, uns in Foren mit anderen AnwenderInnen austauschen und auf Vergleichsportalen den günstigsten Preis recherchieren. Die KundInnen kennen also bereits alle Vor- und Nachteile. Diese gut informierten Menschen wollen durch einen Kontakt mit BeraterInnen nichts mehr verkauft bekommen, sondern lediglich erfahren, wie das Produkt auf ihre individuellen Bedürfnisse angepasst werden kann.

Sie suchen nach einer letzten Hilfestellung bzw. einer Bestätigung und wollen ihre vorherige Recherche überprüfen. KundInnen wollen Orientierung, ein klares Bild und eine Entscheidungshilfe, welches Produkt für sie das richtige ist. Die Beratung hilft den KundInnen also, die für sie optimale Entscheidung zu treffen. Aber Achtung:  Beraten ist mehr als nur reines Informieren. Nur Informationen vorzutragen, die ebenfalls im Internet abrufbar sind, macht eine Beratung nicht einzigartig und bietet keinen Mehrwert.

Umso wichtiger ist es also, dass die hilfsbereiten BeraterInnen das Verkaufen nicht vergessen und die auf Umsatz gepolten VerkäuferInnen sich Zeit für die Beratung nehmen. Beratungsorientierte Mitarbeitende sollten ihre Verkaufskompetenz aus- und aufbauen und sich neben der Beratung auch der Akquise, Angebotserstellung, Nutzenargumentation sowie dem Kaufabschluss widmen. Wer bislang nur an die Verkaufszahlen gedacht hat, ist gut beraten, seine Beratungskompetenz aus- und aufzubauen. Nur so sind diese beratenden VerkäuferInnen in der Lage, den konkreten Bedarf und die Bedürfnisse ihrer potenziellen KundInnen zu erfragen und darauf ausgerichtete kreative Lösungen anzubieten, die den KundInnen einen Mehrwert bieten.

KundInnen wollen Kaufentscheidungen selber treffen

Der Wechsel von der einseitigen Beraterkultur hin zur beratenden Verkaufsoffensive scheint unbedingt notwendig. Denn nur so kann eine Balance zwischen Beratung und Verkauf hergestellt werden.

Beratung kann allerdings unbeabsichtigt auch zur Bevormundung für die KundInnen werden. Dies gilt es unbedingt zu vermeiden, denn eine solche Bevormundung wirkt auf die KundInnen aufdringlich. Sie bekommen das Gefühl, eine Meinung von den VerkäuferInnen aufgedrängt zu bekommen. Hier braucht es Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl, um zu erkennen, ab welchem Punkt KundInnen keine weitere Empfehlung mehr möchten, da sie sich durch zu viele Ratschläge auch in die Enge getrieben fühlen können.

Gerade online wirkt zu aggressives Verkaufen stark abschreckend. Im Internet, vor allem auf Social-Media-Auftritten bieten Unternehmen zahlreiche Informationen zu ihren Produkten – beraten also – verkaufen aber nicht offensichtlich. Und das ist auch gut so, denn das geschieht automatisch, wenn erst das Interesse bei den potenziellen KundInnen geweckt ist.

Das klassische sogenannte Hard Selling erregt bei KundInnen oft einen gewissen Widerwillen – das Gefühl die Kontrolle über mögliche Handlungsalternativen zu verlieren, führt dann oft zu gegensätzlichen Reaktionen. Anstatt also den Aufforderungen der VerkäuferInnen zu folgen und ein Produkt zu kaufen, folgt dann häufig schnell das kategorische „Nein“ und damit der Gesprächsabbruch.

Kein Wunder, denn es gilt immer: „KundInnen möchten nichts verkauft bekommen, sondern selbst entscheiden und kaufen.“

KundInnen möchten nicht zum Kauf gedrängt werden. Aufdringliche VerkäuferInnen erwecken eher den Eindruck, dass ihnen mehr an der Provision gelegen ist, als daran, ihren potenziellen KundInnen zu helfen.

Beratung im Verkauf – unschlagbare Kombination

Für die Beratung im Verkauf hingegen sind KundInnen sehr viel offener. So wünschen sich viele KundInnen im B2B einen kombinierten Verkaufs- und Beratungsprozess. Aber wie hilft die Beratung beim erfolgreichen Verkaufsabschluss?

Ganz einfach: Dadurch, dass bei der Beratung im Verkauf den KundInnen eine Reihe von Handlungsalternativen offenbart werden und ihnen die freie Wahl gelassen wird,  erhalten die KundInnen das Gefühl, jederzeit die Kontrolle über das Geschehen zu haben. Sie fühlen sich also nicht mehr in eine Richtung gedrängt, aus der sie sich nur mit einem „Nein“ befreien können. Die Beratung im Verkauf wirkt sich somit positiv auf das Kaufverhalten von potenziellen KundInnen aus.

Bei einem Beratungsverkauf übernimmt das Verkaufspersonal eine beratende Funktion, hilft den KundInnen, ihre Bedürfnisse zu identifizieren und bietet schließlich Lösungen an, um diese individuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Ein Produkt oder eine Dienstleistung können noch so hervorragend sein – das hilft aber wenig, wenn potenzielle KundInnen nicht erfahren, welche Vorteile das konkrete Angebot ihnen persönlich bietet. Für ein erfolgreiches Verkaufsgespräch verbindet man deshalb die Vorteile des Produkts mit den Bedürfnissen der potenziellen KundInnen: Man präsentiert eine Lösung für genau ihre Probleme.

Wichtig dabei: Jeder Mensch stellt andere Bedingungen an ein Produkt. Deshalb fallen z. B. die Bewertungen von Hotels auf bekannten Online-Portalen so unterschiedlich aus. Die persönlichen Interessen der KundInnen sind eben sehr unterschiedlich. Und nicht alle finden in dem einen Hotel ihr Glück. Gute VerkäuferInnen sollten in der Beratung schnell herausfinden, was ihre potenziellen KundInnen glücklich macht und darauf eingehen.

Zudem erlaubt Ihnen die offene Beratung im Verkaufsgespräch auch aus der austauschbaren Rolle „LieferantIn“ herauszukommen. KundInnen sehen ihr Gegenüber nun mehr als ExpertIn, Gesprächspartner und Ideengeber, was die Kundenbindung ungemein stärkt.

Um bei KundInnen eine solche vertrauenswürdige Position zu erreichen, müssen beratende VerkäuferInnen über erstklassige Verkaufsfertigkeiten, Branchenerfahrungen und Einblicke in die Unternehmen bzw. die Branchen sowie das Marktumfeld der KundInnen verfügen. Die Kenntnisse gehen so weit, dass im Sinn der KundInnen strategisch gedacht wird und deren geschäftlichen Herausforderungen verstanden werden und zum unternehmerischen Erfolg beigetragen werden kann.

Balance halten zwischen dem Verkaufen und Beraten

Natürlich ist hierbei die Balance wichtig, denn Ziel ist ja der Verkaufsabschluss. Wenn KundInnen also eindeutige Zeichen einer Kaufabsicht zeigen, dann sollte man sich nicht in endloser Beratung verlieren, sondern möglichst schnell die Abschlussfrage stellen. Sind die potenziellen KundInnen jedoch noch zögerlich und unsicher, so nimmt die anhaltende Beratung im Verkauf den Druck aus dem Gespräch und bestärkt die KundInnen darin, zwischen verschiedenen Angeboten wählen zu können.

Es kommt also auf die Balance an – zu viel Druck zu kaufen, erzeugt Widerwillen und zu viel Beratung im Verkauf nur Verwirrung. Um Verkaufsabschlüsse zu erzielen, müssen Mitarbeitende im Vertrieb ihr persönliches Gleichgewicht zwischen diesen beiden Ansätzen finden und sie flexibel kombinieren können. Mit beratendem Verkaufen sind also nicht nur die potenziellen KundInnen, sondern auch Mitarbeitende im Vertrieb gut beraten.

Der wichtigste Grundsatz ist der ehrliche und authentische Umgang mit den potenziellen KundInnen. Beim beratenden Verkauf geht es nicht um eine einseitige und einmalige Transaktion. Vielmehr soll eine positive, für beide Seiten profitable und langfristige Kundenbeziehung entstehen – eine partnerschaftliche Zusammenarbeit.

Und wer diese Umsetzung in der Verkaufspraxis schafft, schafft den Balanceakt zwischen Beratung und Verkauf auf dem Drahtseil!

Beratendes Verkaufen – Vorteile im Überblick
 

Beratendes Verkaufen dient dem Aufbau starker, langfristiger Beziehungen
Beratende VerkäuferInnen verzichten für den Vertrauensaufbau auch auf kurzfristige Gewinne, um einen größeren langfristigen Nutzen für sich selbst, ihr Unternehmen und die von ihnen betreuten KundInnen zu erzielen.

Beratendes Verkaufen ist unbedingt kundenorientiert
Der Schwerpunkt des beratenden Verkaufs liegt auf den Bedürfnissen, Zielen und Herausforderungen der KundInnen. Vertrauenswürdige BeraterInnen bieten den potenziellen KundInnen individuelle Lösungen für deren spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen.

Beratendes Verkaufen erkennt Bedarf der KundInnen
Beratende VerkäuferInnen führen eine detaillierte Bedarfsanalyse durch. Ihr Ziel ist es, die Probleme und Ziele des Kunden zu identifizieren, die die Grundlage für individuelle Lösungsvorschläge und eine überzeugte Kaufentscheidung der KundInnen bilden. Am Bedarf vorbei geht da nichts mehr.

Beratendes Verkaufen legt Schwerpunkt auf kundenspezifische Lösungen
Vertriebsmitarbeitende arbeiten mit ihren KundInnen zusammen, um solche Angebote zu entwickeln, die genau auf deren individuellen Anforderungen zugeschnitten sind und damit langfristig die höchstmögliche Kundenzufriedenheit erzielen.

Beratendes Verkaufen bietet Mehrwert für KundInnen
Beratende VerkäuferInnen betrachten jede Interaktion mit potenziellen KundInnen als Gelegenheit, nicht nur die konkreten Anforderungen der KundInnen zu erfüllen, sondern deren Erwartungen zu übertreffen und dadurch Mehrwerte zu bieten.