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Digitale Kundenkommunikation – Surreale Science-Fiction-Phantasie oder Realität?


Wie sieht digitale Kundenkommunikation in der Praxis aus?

James Ponsoldts neuester Science-Fiction Thriller The Circle, welcher auf dem gleichnamigen Roman von Dave Eggers basiert, befasst sich mit zukunftsweisenden Themen wie Digitalisierung, Transparenz und digitaler Kundenkommunikation. Live-Chats ersetzen Telefonate, Kundenanfragen werden online anonym beantwortet und in Echtzeit ausgewertet – das beschriebene Szenario zeigt auf, welche Chancen und Möglichkeiten die digitale Kundenkommunikation mit sich bringt.

Die im Film durch Emma Watson verkörperte Mae Holland gelangt an einen Job beim Technologieunternehmen und Social-Media-Koloss The Circle. Es handelt sich hierbei um das einflussreichste Unternehmen der Welt, da es sämtliche Kundendaten miteinander verknüpft und innerhalb kürzester Zeit auswertet. Die Kundenkommunikation läuft zu 100% viá Live-Chat ab, jeder Kunde ist nach der Beratung dazu verpflichtet, seinem Live-Chat-Partner ein Feedback zu geben. Dieses gilt es für die Mitarbeiter des Circles zu optimieren, um so möglichst schnell in der Circle-Hierarchie aufzusteigen.

Das System der digitalen Kundenkommunikation hat für das Unternehmen den Vorteil, dass es viel mehr Daten über die Kundenzufriedenheit sammeln kann, anhand welcher der Stellenwert eines Mitarbeiters für die Firma ermittelt wird. Je zufriedener der Kunde, desto mehr wird die Leistung eines Mitarbeiters anerkannt und im Unternehmen wertgeschätzt. Dieses Prinzip stellt eine transparente Möglichkeit dar, den Mitarbeitern aufzuzeigen, wie sie auf der Karriereleiter schnell nach oben klettern können. Jeder Kundenberater wird sich folglich noch mehr anstrengen, eine möglichst positive Bewertung zu erhalten. Außerdem kann so die Kundenzufriedenheit maximiert werden, sofern die Feedbackergebnisse auch den wirklichen Verhältnissen entsprechen und nicht erzwungen wurden.

Ist dieses System der digitalen Kundenkommunikation überhaupt umsetzbar?

Nun können natürlich Zweifel aufkommen, inwieweit die Umsetzung dieses Systems überhaupt realistisch ist. Kritiker werden einwenden, dass Kunden sich nicht auf eine Beratung mit verbindlichem Feedback einlassen werden. Der Film allerdings spielt in einer nicht allzu fernen Zukunft. Aktuelle Trends beweisen, dass die Kommunikation viá Telefon bei Unternehmen, welche bereits Live-Chats mit Kunden verwenden, nur noch ca. 5% der gesamten Kundenkommunikation ausmacht. Es scheint sich also zu bewahrheiten, dass Kunden den lockeren, schnellen und kundennahen Live-Chat gegenüber „altmodischen“ Telefonaten bevorzugen. Dass die Kommunikation auf diese Art und Weise anonymer als ein persönliches Telefongespräch abläuft, scheint die Kunden nicht zu stören. Wichtiger ist ihnen, dass sie unkompliziert und zeitnah Lösungen für ihre Probleme geboten bekommen.

Wenn man an diesem Punkt ansetzt, klingt es also gar nicht mehr so unrealistisch, jedem Kunden ein Feedback für einen abgeschlossenen Live-Chat aufzuzwängen. Schließlich ziehen diese ja auch ihren Mehrwert daraus.

Dass die digitale Kundenkommunikation Zukunft hat, zeigen diverse Fallbeispiele. Eine Analyse zeigt aber auch, dass viele Faktoren von Bedeutung sind, damit die Kundenkommunikation viá Live-Chat überhaupt gelingen kann.

Was sind die großen Herausforderungen dieser Methode der digitalen Kundenkommunikation?

Der Kunde möchte keine vorformulierte, sondern eine individuell auf ihn abgestimmte Lösung. Deshalb ist der Zeitaufwand, den die Kommunikation viá Live-Chat mit sich bringt, nicht zu unterschätzen. Was es unbedingt zu vermeiden gilt, ist, dem Kunden übereilt zu antworten. Denn das Problem digitaler Kundenkommunikation besteht oftmals darin zurückzuschreiben, bevor der Sachverhalt vollständig erfasst wurde. Geht das Kundengespräch im Live-Chat auf die Diskussionsebene über, ist es umso wichtiger, dem Kunden aktiv zuzuhören.

Was gilt es bei der digitalen Kundenkommunikation zu beachten?

Diskutieren bedeutet, dass Sie auf den anderen eingehen und am Ende die besseren Argumente haben - und das setzt gutes „Zuhören“ voraus. Zuerst müssen Sie klären, ob eine Diskussion überhaupt möglich ist. Nur wenn der Kunde an einem ernsthaften Dialog interessiert ist, lohnt sich der zeitliche Aufwand, den Sie in die digitale Kundenkommunikation investieren. In einem zweiten Schritt bietet es sich an, seine Position zu paraphrasieren. So können Sie vermeiden, „aneinander vorbeizureden“, was gerade in Chats häufig der Fall ist. Wenn die Position des Kunden schließlich eindeutig erfasst wurde, sollten Sie klären, um welches Anliegen es dem Kunden wirklich geht.

  • Habe ich richtig verstanden, dass...?
  • Meinen Sie damit...?
  • Sie würden also sagen, dass...?

Bei schwierigen Kunden bietet es sich an zu fragen, was hinter der Aussage steckt. Oft sind gewisse Denkweisen durch persönliche Erfahrungen geprägt, was Ihnen die Diskussion zusätzlich erschwert.

Weitere Probleme digitaler Kundenkommunikation

Auch wenn die digitale Kundenkommunikation als sehr vielversprechend gilt, so gibt es doch einige Aspekte, welche unbedingt zu beachten sind, um vermeidbare Komplikationen vorzubeugen. Das so genannte „4-Ohren-Modell“ von Friedemann Schulz von Thun beschäftigt sich mit den Ursachen solcher Probleme. Es besagt, dass jede Nachricht – sowohl gesprochen als auch geschrieben – auf vier verschiedenen Ebenen beim Empfänger ankommen kann. Demnach beinhaltet jede Nachricht eine Selbstkundgabe, einen Appell, eine Sach- und eine Beziehungsebene. Nimmt der Empfänger die Nachricht auf einer Ebene wahr, auf die der Sprecher nicht abgezielt hat, führt diese Inkongruenz zu Kommunikationsproblemen.

In Zeiten der Digitalisierung fällt es immer schwieriger, die Nachricht des Sprechers auf der richtigen Ebene zu verstehen. Online kann man Mimik und Gestik nur schwer einschätzen, verzichten Sie im Live-Chat daher auf Ironie und Humor. Denn auch wenn diese Stilmittel im Allgemeinen als kommunikativ gelten, sind sie im Schriftverkehr digitaler Kundenkommunikation oft Ursache simpler Kommunikationsprobleme. Wichtiger als dem Kunden im Live-Chat mit Humor zu begegnen, ist Gesprächsbereitschaft zu signalisieren. Zeigen Sie Interesse am Anliegen des Kunden und bedenken Sie: Die Ursache für digitale Kommunikationsprobleme kann nicht nur beim Kunden, sondern auch bei Ihnen liegen.

Wie sieht die Zukunft der Kundenkommunikation also aus?

Schwer zu sagen. Klar ist, dass der Live-Chat mit Kunden bei Unternehmen immer populärer wird. Dennoch wirkt es unwahrscheinlich, dass die Kundenkommunikation in Zukunft ausschließlich viá Live-Chat abgewickelt wird. Geschweige denn, dass Kunden dazu verpflichtet sind, ihrem Online-Berater ein Feedback für dessen Beratung zu hinterlassen.

The Circle zeigt, was in Zukunft noch alles möglich sein wird. Von digitaler Kundenkommunikation über Live-Analysen bis hin zur vollständigen Transparenz - im Film wird schnell deutlich, dass die Digitalisierung sowohl positive als auch negative Aspekte mit sich bringt. Mae erfährt das in mehreren Situationen am eigenen Leib.

Bei der digitalen Kundenkommunikation viá Live-Chat handelt es sich um einen Trend, durch den Kunden unkompliziert und zeitnah Lösungen in schriftlicher Form für ihre Probleme geboten bekommen. Die Kommunikation verläuft im Großen und Ganzen anonym und unpersönlich ab. Daher gilt es als große Herausforderung, das Anliegen des Kunden richtig zu verstehen, um ihm so seine individuelle, persönliche Lösung liefern zu können.

Wenn der Kunde auf Durchzug schaltet

Sonderfälle digitaler Kundenkommunikation stellen besonders sture Kunden dar. Sollten diese - obwohl Sie geduldig sind, nachfragen und Ihre Wertschätzung zum Ausdruck bringen – auf taub stellen, ist es Ihre Aufgabe, klar Stellung zu beziehen. Denn nur weil die Hemmschwelle für übereilte, verständnislose Kommentare online besonders niedrig ist, müssen Sie sich noch lange nicht alles gefallen lassen. Lassen Sie sich nicht von lästigen, unhöflichen Beschwerden herunterziehen. Nutzen und entdecken Sie stattdessen die Vorteile der digitalen Kundenkommunikation für sich. The Circle zeigt, dass der Prozess der Digitalisierung gerade erst so richtig begonnen hat.